Die Ursprünge des Wing Chun

Die Geschichte der Entstehung des Wing Chun ist nirgends verbrieft, vielmehr handelt es sich nur um eine mündliche Überlieferung. Dies bedeutet somit, dass die genauen Umstände wie Wing Chun entstanden ist, bis heute unklar sind, und entsprechend unterschiedliche Überlieferungsmythen vertreten werden. Unser Verein beruft sich auf jene Erzählung, wie sie von unserem Chefinstruktor Prabath Jayasundara aus Sri Lanka erzählt wird. Es ist  die am weitesten verbreitete Version der Entstehung des Wing Chun.

Ein indischer Mönch namens Bodhidharma reiste zu Fuss von Indien nach China, um im Shaolin Kloster der heutigen Provinz Honan die hohe Kunst der Meditation zu lehren. Dieser indische Priester machte die Shaolin-Mönche, die sehr schwach waren, mit dem Prinzip der Atemkontrolle und mentalen Übungen vertraut. Sein Ziel war es, den Schülern die Einheit zwischen Geist, Seele und Körper zu vermitteln. Im Laufe des Unterrichts ermüdeten die Mönche jedoch so sehr, dass sich ihr Lehrer etwas zu ihrer körperlichen Ertüchtigung einfallen lassen musste. So entwickelte er Bewegungsformen, die seine kraftlosen Schüler nach langen Meditationsphasen wieder mit neuer Energie versorgten. Diese Formen wurden über Generationen hinweg verfeinert und erweitert, bis daraus Partnerübungen und Kampftechniken zur Selbstverteidigung entstanden. Kernstück der Shaolin-Boxübungen bildeten Bewegungen, die von dem Angriffs- und Verteidigungsverhalten fünf verschiedener Tiere (Drache, Tiger, Schlange, Leopard und Kranich) abgeleitet wurden.

Die Mönche wurden aufgrund des steten Trainings so stark, dass die chinesische Regierung Angst um ihre Vormachtstellung bekam und einen Angriff auf das Shaolin-Kloster anordnete. Der Angriff jedoch wurde dank der Kampfkraft und dem erbitterten Widerstand der Mönche abgewehrt. Die Regierung gab sich aber nicht geschlagen und versuchte, den Widerstand der Mönche auf indirektem Weg zu brechen. Ein Einwohner des Klosters wurde bestochen, worauf dieser im Kloster einen Brand legte. Die Folgen waren verheerend. Praktisch alle Mönche und Nonnen kamen ums Leben. Nur fünf hatten überlebt. Diese wurden später als "die fünf Älteren" bezeichnet. Unter diesen fünf befand sich auch die buddhistische Nonne und Kung-Fu Meisterin Ng Mui. Sie floh nach dem Brand in den weissen Kranich Tempel auf dem Tai Leung Berg, wo sie sich wieder ungestört dem Training widmen konnte. Ihr war jedoch bewusst, dass sie nicht ewig in Ruhe gelassen werden würde, da sie immer noch gesucht wurde. Da die verräterischen Mönche auch gute Kämpfer waren und Ng Mui nicht jünger wurde, war es an der Zeit, einen Kung-Fu Stil zu entwickeln, der auch für körperlich Unterlegene geeignet ist. Sie beobachtete einen Kampf zwischen einer Schlange und einem weissen Kranich. Der Ausgang des Kampfes ist nicht von Bedeutung, sondern die Art und Weise, wie gekämpft wurde. Die Kampftechnik der Schlange beruhte auf Schnelligkeit und peitschenartigen Angriffen. Der Kranich hingegen vollführte blitzschnelle Abwehrbewegungen mit den Flügeln und konterte zugleich mit dem Schnabel. Dieser Kampf war ausschlaggebend für die Entwicklung des neuen Kung-Fu Stiles.

Ng Mui ging regelmässig auf den nahe gelegenen Markt. Dort traf sie zufälligerweise die junge und hübsche Jim Wing Chun und ihren Vater. Sofort bemerkte Ng Mui, dass etwas den beiden Sorgen bereitete. Als sie nachfragte und erfuhr, dass ein in der Region bekannter Schläger namens Wong um Jim Wing Chuns Hand anhielt und ihr mit Gewalt drohte, überkam sie ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit. Sie beschloss, Jim Wing Chun zu unterrichten. Nach jahrelangem Training erlangte Jim Wing Chun einen hohen Grad der neuen Kampfkunst und stellte sich kurz darauf ihrem Widersacher. Der Kampf zwischen Jim Wing Chun und dem Schläger Wong verlief sehr kurz, da ein einziger gezielter Hieb von ihr Wong besiegte. Daraufhin gab Ng Mui dem Kampfstil den Namen „Wing Chun“, was übersetzt in etwa „schöner Frühling" bedeutet.

Nach diesen Ereignissen beschloss Ng Mui, weiter zu reisen, während Jim Wing Chun ihr Training fortsetzte. Vor ihrer Abreise musste Jim Wing Chun versprechen, ihr Können und Wissen nur ausgewählten Leuten weiter zu geben. Bevor Wing Chun Kung-Fu in den Westen kam, verging eine lange Zeit. Bruce Lee, ehemaliger Schüler von Grossmeister (jemand der eine Kung-Fu Richtung perfekt beherrscht und auch von anderen Lehrern geehrt wird) Yip Man, brachte Wing Chun nach Amerika, wo er nach kurzer Zeit Schulen eröffnete und seine eigene Kampfkunst entwickelte: das Jet-Ken-Do, welches die Wurzeln im Wing Chun hat. Danach war es nur eine Frage der Zeit, bis es nach Europa kam. Mittlerweile gibt es Wing Chun Schulen auf der ganzen Welt. Um die Schreibweise streitet man sich. Auch die Graduierungen und Unterrichtsmethoden sind von Schule zu Schule verschieden.